Mhm... also aus meiner Sicht hat der Amateurfunk weniger das Problem, dass immer wieder das falsche wiederholt wird und man deswegen auf der Stelle tritt als das Luxusproblem, dass sehr viele Probleme schon so optimal von anderen gelöst wurden, dass schlichtes Nachmachen von bewährten Lösungen wesentlich schneller zum Erfolg führt als das Abweichen von diesen.
Die wirklich spannende Aufgabenstellung ist doch das Hinterfragen der bewährten Mainstreamlösungen geworden ... der berühmte Frage: Warum macht ihr das so? Erfährt all zu gerne die Antwort: Weil wir das schon immer so gemacht haben und es gut funktioniert... was durchaus die Summe der gemachten eigenen Erfahrungen entsprechen kann, aber eben auch die Behauptung beinhaltet: Besser als es ist, kannst Du es nicht machen... Das berühmte 'never chance a running system' eben.. und es sind meist die alten Hasen, die das gelassen aussprechen mit bestem Gewissen und dem Wunsch, den jungen Hüpfern Irrwege zu ersparen...
Das irre Informationsangebot im WWW tut ein übriges dazu.. eine spontane Idee ist schnell ausgebremst, wenn man statt sie um zu setzen auf die gesammelte Lebenserfahrung des Webs zurückgreift.. Da macht es dann keinen Unterschied ob man durch eigene im Lauf der Afu Lebens angesammelte Erfahrungen oder durch Fremderfahrungen in seinem Hang, doch einfach eine Idee zu testen, ausgebremst wird. Es nichts falsches daran, sich erst schlau zu machen und dann los zu legen.. aber all zu oft legt man dann gar nicht mehr los und übernimmt allenfalls fremde Erfahrungen ungeprüft. Im Ergebnis nehmen eigene aktive Experimente immer weniger Raum ein ... oder - was mir immer wieder passiert - man verliert sich in Details und endet mit so vielen neuen Fragezeichen, dass man in dem angedachten Test keinerlei belastbaren Erkenntnisgewinn mehr vermutet...
Hab mich die letzten 14 Tage kopfschüttelnt dabei beobachtet, eine VGR Antenne für 70cm zu basteln.... 'früher' wäre das in 1 Tag erledigt gewesen... ab zum Baumarkt, nehmen, was da ist, und das dann irgendwie so hinbiegen, dass es dem Bauvorschlag ähnelt ... per SWR Meter abgleichen und sich freuen, dass man was damit hört, wenn man auf dem Hügel das Ding auf den kurzen Mast stopft.. am Ende hätte neben der Bastellei hier früher also doch tatsächlich aktiver Funkbetrieb gestanden... Was mach ich stattdessen? .. Im Baumarkt angekommen, gibt es nicht den Rohrdurchmesser, den ich will... und schon nimmt das Elend seinen Lauf.. Simulationsprogramm anwerfen, mit anderem Rohrduchmesser optimieren... och nee.. die Hauptkeule im Diagramm sieht aber steil aus... das Ding taugt nur für Sat Funk ... und wenn es an den Mast muss, ist ne Yagi allemal besser..? ... neue Simulation und die Idee, ne HB9CV zu bauen... aber verdammt... im Baumarkt haben sie auch hier nicht den passenden Rohrdurchmesser... welchen Einfluß hat der noch gleich bei der HB9CV? .. und welchen Einfluß hat die Montageart der Elemente auf dem Boom auf die Elementlänge? ... -> könnte man ja messen, in dem man die Resonazfrequenz des betreffenden Elementes je nach Montage Art bestimmt ... aehm.. ja.. mit dem Dipmeter .. auf 70cm... nee... also mit dem Netzwerkanalysator .. aber wie ankoppeln., ohne was zu verfälschen.. klar.. möglichst lose und immer gleich.. aber wenn es nur um 1..3 mm geht, dann wird das ne ziemliche Luftnummer... was es dann auch war, denn die Position der Rückenlehne meines Stuhls hatte deutlich mehr Einfluss auf die Messung als die Montageform vermuten ließ.. Messen also nur im reflektionsfrei Raum sinnig.. (keine wirklich überraschende Erkenntnis, die hätte ich auch im WWW finden können ..allerdings auch den Hinweis, dass das mit der Montage Art alles andere als trivial zu berechnen ist und man am besten genau nach bewährter Anleitung baut... ) Derartig präpariert hab ich nun keine Lust mehr, ne Antenne zusammen zu löten, die vielleicht nicht optimal ( -1 dB ? ... schreckliche Vorstellung...) funktioniert ... also durchaus was gelernt, aber eben nicht beim Amateurfunkbetrieb selbst...
Früher ist man mit dem Bollerwagen und ner Autobatterie mit ner HB9CV Marke Schnellgebaut auf dem Notenständer gestellt auf den Haushügel rausgefahren... hat das Ding in der Gegend rumgeschwenkt und sich vielleicht dann am Kopf gekratzt, weil das beobachtet Verhalten nicht wie erwartet ausgefallen ist... da war man eben noch jung
Und da sehe ich die Gefahr, wenn zu viel Lebenserfahrung auf zu wenig Jugend trifft... Amateurfunk überlebt eben auch nur, wenn noch Amateurfunk auf den Bändern statt findet... man also aktiv experimentiert und dann darüber sich austauscht... Gefährlich wird es immer dann, wenn man sich nur noch austauscht und darüber das praktische eigene Experiment verwirft. Die optimale Mischung muss hier natürlich das Ziel sein aber es reicht nicht, nur neugierig zu bleiben... man muss auch die Neugierde durch eigene Experimente und aktive Aktionen versuchen zu stillen erst dann wird es gelebter Amateurfunk..... statt dem berühmten 'das kann nicht gehen...' ein ' ich guck mal, ob das nicht doch geht' ... erst die Aktion, dann die Diskussion über das beobachtet Ergebnis
Was Afu gar nicht verträgt, ist die Reduktion auf Telefonersatz oder das Einfrieren von einmal selbst erklärten Stationsständen, auch sind wir kein Rundfunkdienst oder auf Augenhöhe mit 'sendenden' Flurlampen.. oder vorgeschobener Marktbeobachter in der Fläche der Bundesnetzagentur.
Afu überlebt nur dann, wenn Afu auch statt findet.. und was kann motivierender sein, als die eigenen Ideen um zu setzten und aus zu werten oder gar darüber mit Gleichgesinnten zu fachsimpeln?
73 de Olaf / DL5YBZ